Theorie des Marathon-Trainings

Durch Training versucht ein Sportler die für seine Sportart notwendigen Systeme seines Körpers zu entwickeln und somit eine bessere Leistung zu erreichen. Es ist also wichtig zu verstehen, welche Systeme für den Ausdauersport und für den Marathon im Besonderen wichtig sind.

Das Wesentliche am Ausdauersport ist sicherlich, dass Energie über einen langen Zeitraum in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen muss. Daneben muss diese auch effizient genutzt werden können. Die Energiegewinnung ist ein komplexes System, welches auf unterschiedliche Arten ablaufen kann. Eine erste Unterscheidung erfolgt nach Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel.

Beim Kohlenhydratstoffwechsel (Glykolyse) wird aus Kohlenhydraten Energie gewonnen. Diese Art des Stoffwechsels ist sehr effizient und stellt viel Energie zur Verfügung. Leider sind die Glykogenspeicher des Menschen nur beschränkt vorhanden. Ein Marathon lässt sich nie alleine auf Basis des Kohlenhydratstoffwechsels laufen.

Aus Fett lässt sich unter Berücksichtigung der eingesetzten Energie und des notwendigen Sauerstoffs nicht so viel Energie gewinnen, wie aus Kohlenhydraten. Dafür stehen diese Reserven aber  nahezu unbegrenzt zur Verfügung. Wollen wir also lange Leistung erbringen, so müssen wir uns auf den Fettstoffwechsel stützen. Der Fettstoffwechsel (Lipolyse) kann aber nur mit Hilfe von Sauerstoff ablaufen.

Doch auch diese beiden Stoffwechseltypen können wieder auf unterschiedliche Weise und an unterschiedlichen Orten durchgeführt werden. Alle dies Arten der Energiegewinnung müssen speziell trainiert werden.

Darüber hinaus spielt wie erwähnt die Sauerstoffversorgung eine entscheidende Rolle beim Stoffwechsel. Es wird zwischen dem aeroben (mit Sauerstoff) und anaeroben (ohne Sauerstoff)  Stoffwechsel unterschieden. Wird bei zu hoher Intensität gelaufen, steht nicht genügend Sauerstoff bereit und es bleiben Nebenprodukte (Laktat) übrig, die erst wieder mit Sauerstoff abgebaut werden können. Ein wichtiger Nachteil dieser Nebenprodukte ist, dass sie die Muskeln beim Stoffwechsel hemmen. Es ist also auf längeren Strecken ungemein wichtig nicht zu „übersäuern", also kein Laktat aufzubauen.

Trainingseffekt

Welche Auswirkung hat nun das Training auf die unterschiedlichen Stoffwechselarten? Kohlenhydrate werden immer auch in den Muskeln gespeichert. Bei trainierten Langstreckenläufern werden aber auch Fette in den Muskeln eingelagert. Dies hat den Vorteil, dass sie sofort zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden Mitochondrien, dies sind Bestandteile von Körperzellen, die den Energiestoffwechsel durchführen, in den Muskelzellen vermehrt aufgebaut und leistungsfähiger. Die Muskeln werden verstärkt mit feinen Kapillargefäßen zur Durchblutung durchzogen. Somit steht mehr Sauerstoff zur Verfügung und Nebenprodukte können leichter abtransportiert werden.

Der Puls

Das Herz sorgt für den Transport des Blutes durch den Körper. Mit dem Blut werden Sauerstoff und Nährstoffe zu den Zellen gebracht und Schadstoffe abtransportiert. Steigt die körperliche Belastung an, so kommt es zu einem erhöhten Stoffwechsel und somit müssen die jeweiligen Stoffe schneller transportiert werden. Dies führt zu einem schnelleren Herzschlag oder höherem Puls. Wir können an der Höhe unseres Pulses also unsere körperliche Belastung ablesen. Diese wird allerdings nicht nur durch die Tätigkeit von Muskeln gesteuert, sondern ist von vielen weiteren Faktoren wie zum Beispiel Stress, Wärme, Erkältungen und vielem mehr abhängig. Um unsere Trainingsbelastung also mit Hilfe des Pulses auf unseren momentanen Zustand anpassen zu können, müssen wir unseren Körper zunächst kennen lernen und verstehen, wie er auf spezielle Einflussfaktoren reagiert. Dies werden wir erst über einen längeren Zeitraum erkennen. Es ist somit wichtig, regelmäßig seinen Puls zu kontrollieren.

Unser Puls bewegt sich in individuellen Grenzen. Dies sind nach unten der Ruhepuls und nach oben der Maximalpuls. Unser Ruhepuls kann uns schon erste Erkenntnisse zu unserem Fitnesszustand geben und wenn er regelmäßig kontrolliert wird, zum Beispiel kurz vor dem Aufstehen, so können wir auch erkennen, ob wir gesund sind oder bei erhöhtem Puls, anfällig für Krankheiten sind. Für das Training ist es wichtig, den eigenen Maximalpuls zu ermitteln. Hierzu gibt es unterschiedliche Methoden:

  1. Die einfachste Variante ist sicherlich folgende einfache Formel:
    Maximalpuls = 220 - Alter in Jahren. Leider ist diese Methode aber wenig individuell und somit auch nicht unbedingt sehr genau. Wobei Abweichungen von zum Beispiel 2% sicherlich auch nicht überaus problematisch sind.
  2. Eine weitaus genauere Methode ist das Erreichen des Maximalpulses bei der Belastung. Dies kann zum einen unter Ärztlicher Aufsicht während eines EKG geschehen oder beim Laufen. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass der Maximalpuls „weh tut". Sie werden also wirklich an ihre Grenzen gehen müssen. Deshalb sollte diese Methode auch nur von gesunden und erfahreneren Läufern praktiziert werden. Sie laufen also eine Zeit lang bei hohem Tempo, bis sie schon sehr außer Atem sind. Nun geben sie so richtig Gas. Am besten sogar bergauf. Sie versuchen das Tempo so lange wie möglich zu halten. Erst wenn es gar nicht mehr geht, haben sie ihren Maximalpuls erreicht. Aber diese Methode hängt natürlich davon ab, wie sehr sie sich quälen können.

Wichtig ist zu wissen, dass sie diesen Puls im normalen Training nie erreichen werden oder sollten. Bei einem sehr harten Wettlampf über 5 oder 10 km mit einem schnellen Endspurt kann das schon mal sein aber außerhalb dieser Situation sollten solche hohen Pulswerte ein Messfehler der Uhr sein.

Auf die Bereiche, in denen sich unser Puls während des Trainings bewegen sollte, werden wir bei der Vorstellung der Trainingsformen eingehen. An diese Stelle soll schon einmal kurz die maximale Pulsfrequenz für unterschiedliche Wettkampfdistanzen genannt werden:

  1. 10 km: Hier ist der Puls am höchsten und kann durchaus bis zu 90% bis 95% des individuellen Maximalpulses gehen. Dies ist möglich, da wir auf dieser noch relativ kurzen Distanz stark auf den Kohlenhydratspeicher setzen und auch eine leichte Übersäuerung der Muskeln gegen Ende des Laufes riskieren können. Aber hier wird der Lauf schon sehr anstrengend und unerfahrene Läufer sollten sicherlich zunächst mit geringerer Intensität ihre ersten Wettkämpfe bestreiten.
  2. Halbmarathon:  Über die 21 Kilometer müssen wir schon mit unserer Energie besser Haushalten und uns stärker auf unsere Fettverbrennung verlassen. Somit ist eine ausreichend Sauerstoffversorgung wichtig und unser Puls sollte nicht über 88% bis 91% liegen.
  3. Marathon: Beim Marathon ist  der Puls noch einmal niedriger. Er wird in der Regel mit  84% bis 87% gelaufen. Gegen Ende des Laufes oder bei anderen äußeren Einflüssen kann er aber auch schon mal kurzfristig bei maximal 90% liegen. Sollte er dies aber länger tun, so seid Ihr einfach zu schnell unterwegs.

Wir haben ja bereits etwas über das Stoffwechselnebenprodukt Laktat gelesen. Dieser Stoff ist auch für die Trainingssteuerung nützlich. Es gibt eine Schwelle, bei der der Körper das Laktat nicht mehr schnell genug abbauen kann und es sich somit hemmend auf unsere Energiegewinnung auswirkt. Diese Schwelle liegt bei 4 Millimol pro Liter Blut. Der Puls, bei dem wir diese Schwelle erreichen, wird als individuelle anaerobe Schwelle (IANS) bezeichnet. Es ist also der Punkt, bei dem wir eine Sauerstoffschuld eingehen. Dies Schwelle sollten wir im Wettkampf nie erreichen und auch im Training nur sehr bewusst und für kurze Zeit, zum Beispiel beim Intervalltraining. Bestimmt wird diese Schwelle häufig durch einen Laktattest. Dieser liefert noch weitere Aussagen zum Fitnessstand, da er auch die Entwicklung der Laktatkonzentration im Blut bei steigender Belastung aufzeigt. Diese verläuft bei gut trainierten Menschen zunächst nahezu konstant und steigt erst spät exponentiell an.

Trainingsbereiche

Wir haben nun verstanden, dass unser Körper auf unterschiedliche Weise Energie zur Verfügung stellen kann und welche Einflussfaktoren es hierauf gibt. Alle diese Methoden werden beim Sport benötigt. Wie können wir diese aber nun gezielt trainieren. Wesentlicher Faktor bei der Trainingssteuerung ist wieder der Puls. An ihm lässt sich die Intensität des Trainings messen und der Einsatz der verschiedenen Stoffwechseltypen erkennen. Die Einteilung in Trainingsbereiche erfolgt prozentual zum individuellen Maximalpuls.

Der Bereich mit der niedrigsten Intensität ist der regenerative Bereich. Die Belastung ist gering und der Körper und insbesondere die Muskeln werden stark durchblutet. Hierdurch steht genügend Sauerstoff bereit. Der Körper kann die notwendige Energie aus dem Fettstoffwechsel bestreiten. Stoffwechselnebenprodukte, zum Beispiel aus dem letzten Wettkampf, können aus den Muskeln abtransportiert und abgebaut werden. Die Durchblutung fördert den Aufbau von neuem Gewebe. Dieser Bereich wird bei ca. 65% bis 70% des Maximalpulses erreicht.

Bei leicht erhöhtem Puls befinden wir uns im extensiven Trainingsbereich, auch als Grundlagenausdauerbereich 1 (GA1) bezeichnet. Es steht weiterhin genügend Sauerstoff zur Verfügung. Der Körper wird aber schon gefordert und es kommt zu einer Entwicklung der für den Stoffwechsel notwendigen Systeme. Die Grundlagenausdauer wird trainiert. Der Puls liegt bei 70% bis 80%. Dieser Bereich wird durch ruhige Dauerläufe trainiert.

Im intensiven Bereich, auch Grundlagenausdauer 2 (GA2) genannt, liegt der Puls bei 80% bis 85%. Hier reicht der Fettstoffwechsel alleine nicht mehr aus. Kohlenhydrate werden verstärkt zur Energiegewinnung eingesetzt. Trotzdem steht noch genügend Sauerstoff zur Verfügung, so dass die Laktatkonzentration unter der IANS liegt. Dieser Bereich kann mit Tempodauerläufen trainiert werden.

Das Training im Entwicklungsbereich soll zu einer Ökonomisierung des Stoffwechsels bei intensiver Belastung führen. Es wird bei 85% bis 90% des Maximalpulses trainiert. Da bei dieser Intensität auch vermehrt Laktat aufgebaut wird ist es wichtig, dieses sofort wieder abzubauen. Dies wird mit der Intervallmethode durch die Phasen geringer Intensität erreicht.

Der Spitzenbereich wird nur sehr selten und in der direkten Vorbereitung auf einen Wettkampf trainiert. Hier sollen Tempohärte, Stehvermögen und Willenskraft trainiert werden. Der Pulsbereich liegt über 93%. Es ist aber Vorsicht angeraten. Zum einen ist die Phase zur notwendigen Regeneration nach einer solchen Einheit sehr lang, zum anderen kann es leicht zu Verletzungen kommen. Dieser Trainingsbereich ist somit nur erfahrenen, gesunden und ambitionierten Läufern zu empfehlen. Lediglich die Vorbereitungswettkämpfe, zum Beispiel ein 10 Kilometerlauf, werden wohl von sehr vielen Läufern durchgeführt.

Im Ausdauersport ist eine gute Grundlagenausdauer von entscheidender Bedeutung. Deshalb haben die Trainingsbereiche GA1 und GA2 mit ca. 65% auch den größten Anteil am Training. Die Grundlagenausdauer sollte in allen Trainingsphasen des Jahres trainiert werden. Der Entwicklungsbereich wird mit nur 15% schon deutlich weniger trainiert. Dies hängt mit der notwendigen Zeit zur Erholung nach einer solchen Trainingseinheit zusammen. Am besten können wir uns durch regenerative Läufe erholen, die wir somit ebenfalls in einem Umfang von 15 % absolvieren sollten. Der Spitzenbereich schließlich sollte nie mehr als 5% des Trainings ausmachen.