24.06.2007 Traumfabrik-Roth - Gänsehautfeeling und jede Menge „Wow's" - Anke Klimm
100 x habe ich den Traum geträumt, wie es sich anfühlt in das Stadion einzulaufen und als Ironwoman die Ziellinie zu überqueren. Immer wieder habe ich mir die Frage gestellt: Schaffst Du das? 3,8 km schwimmen, 180 km Radfahren mit 1600 Höhenmetern und dann noch einen Marathon laufen?
Im Juli 2006 habe ich mich in Roth angemeldet und auf das Abenteuer Ultralangdistanz eingelassen. Manuela und Hansmartin vom LTB wollten ebenfalls die 226 km bewältigen und 5 Staffeln mit etlichen LTB’lern meldeten sich für die Lightversion an. Nach der Anmeldung verblieben noch 11 Monate zur Vorbereitung. Es folgte ein besonders hartes Wintertraining. Ab dem Trainingslager Mallorca, das Manuela und ich wirklich genossen haben, wurde das Training nach draußen verlegt. Die letzten Wochen vergingen dann sehr schnell und so kam der Tag der Abfahrt.
Anreise und die letzten 4 Tage vor dem großen Tag
Die Wiese direkt neben dem Zieleinlauf in Roth war fest in der Hand des LTB mit Wohnmobilen und Zelten. Die letzten 4 Tage vor dem Tag X waren angebrochen. Donnerstag konnten wir die Startunterlagen abholen und bekamen unser „Bändchen“ – in orange!
Wow, wir gehörten dazu.
Laut Trainer Sven sollten wir am Freitag im Kanal baden und das Wasser schmecken. Es war lecker und fühlte sich gut an. Samstag wurde es dann richtig spannend. Wir mussten unsere Beutel packen und die Räder einchecken. Das Beutelpacken ist eine große Herausforderung. Drei Beutel, drei Farben, was kommt in welchen Beutel, wie wird das Wetter, was ziehe ich an? Das schlechte Wetter der vergangenen Tage war immer wieder ein Thema und konnte nicht zuverlässig geklärt werden.
Highlight des Tages war das Einchecken der Räder. Dank Manuela hatten wir zwei aufeinander folgende Startnummern: 80 und 81. Wohlgemerkt, die Profis haben 1 bis 50! So fanden wir unsere Fahrradgaragen direkt in der 2. Reihe neben den „Schnellen“. Wow! Nach dem Checkin beginnt der Wettkampf und so spulten wir unsere Aufgaben runter: Reichlich Kohlenhydrate essen, trinken, trinken, trinken, Ruhe und früh ins Bett.
Der Tag X
3.00 Uhr klingelte der Wecker. Das hätte er nicht tun müssen, denn ich war schon wach. Mein erster Blick ging zum Himmel. Scheinbar hatte Hans-Jürgen mal wieder ein Machtwort mit seinem Arbeitgeber gesprochen – es war keine Wolke zu sehen. Der Tag der Tage war da! Es gab noch ein ausgiebiges Toast-Frühstück und um 4.15 Uhr brachte Uli drei nervöse Rookies zum Main-Donau-Kanal.
Nachdem wir unsere Fahrräder aus den Tütengaragen befreit, uns in die Neos gequetscht hatten, holte ich mir von Uli mein „Du schaffst das schon Küsschen“. Wir setzten uns an das Ufer des Kanals und genossen die Stimmung. Im Trainingslager Mallorca hatten wir uns ständig diese Bilder vorgestellt: die Heißluftballons, die romantische Kirche, der Nebel über dem Kanal – und genau so war jetzt die Realität. Als dann noch das Lied „Conquest of Paradise“ von Vangelis gespielt wurde (damit sind wir auf Malle unseren Zimmernachbarn Niko und Martin auf die Nerven gegangen) – nahmen wir uns in den Arm und... sorry kann man nicht beschreiben!
Das Schwimmen
Nach unseren besinnlichen Minuten sind wir ins Wasser gegangen. 50 Profis und Sub-9er (die wollen eine Zeit unter 9 Stunden schaffen), 248 Frauen, Manuela und ich. Hansmartin musste seine Nerven noch etwas strapazieren. Der Blick vom Wasser aus war gigantisch – Wow!
Als der Startschuss fiel lief alles automatisch. Ich versuchte die über zwei Jahre erlernte Kraultechnik anzuwenden und bewegte mich vorwärts. Es war eigentlich ganz einfach. Nach 2/3 der Strecke tauchten endlich wieder Zuschauer am Ufer auf und ich wusste, dass ich meine Angstdisziplin schaffen würde. Ich schaute mir die Zuschauer genauer an und entdeckte plötzlich die LTB-Fahne. Andrea und Sabine hielten Ausschau nach mir, das ist aber aussichtslos da alle Schwimmer die gleiche Badekappe tragen. Ich erfand einen neuen Schwimmstil und winkte mit der rechten Hand. Die Beiden erkannten mich und tröteten mir zu. Ich musste grinsen. Nach 1:24 Stunde hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen und konnte mich zur Beutelsuche aufmachen. Suchen brauchte ich nicht, es lagen nur noch zwei Beutel da, der eine gehörte Manuela, der andere mir – toll wir waren Schneckenschwimmer – egal – ich fand mich super.
180 km- Fahrradspaß
Also Beutel geschnappt, ab ins Zelt, Neo aus, Radhose und Trikot an, Schuhe, Handschuhe, Nummer um und ab zum Fahrrad. Auch das stand ziemlich einsam da und hat sich bestimmt für seine lahme Besitzerin geschämt.
![](upload/Berichte/2007-Roth/Roth-2007-03.jpg)
Begleitet von Zurufen und Fotoklicks ging der 180 km-Ritt los. Die ersten 15 km sollte ich, laut Trainer Sven gaaanz locker treten. Das tat ich auch, aber der Puls war ziemlich hoch und ich völlig aufgeregt. „Komm runter“, sagte ich zu mir, aber ich kam rauf, denn am ersten Berg sprang meine Kette ab. Das ging ja gut los. So beschloss ich auf dem großen Kettenblatt zu fahren. Die Spruchbänder forderten sowieso dazu auf: „Kette rechts“. Ich fuhr Kette rechts und fing an zu genießen. Die Sprecher an den Stimmungsnestern begrüßten mich per Mikro, das ist der Vorteil einer Frau und ich fand es toll.
Nach 70 Kilometern durfte ich ihn dann endlich erleben – den Solarer Berg. Von den vielen Fotos und Erzählungen hatte ich eine ungefähre Vorstellung, aber die Wirklichkeit ist atemberaubend . Es entlockte mir mal wieder ein „Wow“! Man fährt durch ein Spalier von Zuschauern und die Stimmung ist einmalig. Uli und Rudi (mein treuer Freund aus Malle) waren auch dort. Nach dem Solarer Berg ging es aufregend weiter, denn am Schwimmstart zappelte wieder die LTB-Fahne und in Eckersmühlen standen Horst, Gerd, Gudrun und Margarete.
Die ersten 90 Kilometer waren geschafft und die Uhr sagte 3:02 Stunden – alles im Soll. In der zweiten Runde war es am Solarer Berg schon etwas ruhiger geworden, aber die Stimmung reichte immer noch für eine Gänsehaut. Hartmut hatte nach seinem Staffeleinsatz im Schwimmen sogar noch Puste ein paar Meter neben mir her zu laufen. Starke Leistung! Vorbei ging es am Schwimmstart und nach Eckersmühlen und dann nach rechts Richtung Roth. Beim Anblick auf meinen Tacho lachte mein Herz: 5:54 – unter 6 Stunden. Sven hatte mal wieder Recht behalten. Bisher war alles super gelaufen, das sollte sich nun ändern.
Die letzten 42,195 km
Ich war voll auf den Wechsel konzentriert und stieg kurz vor der Zeitmatte vom Rad. Rechts von mir kam ein Typ ins Straucheln und fiel in mein Rad. Dabei riss er mich mit und das Fahrrad fiel auf meine Wade. Ich schnappte meinen Beutel und lief ins Zelt. Der Typ wutschnaubend hinter mir her. Er setzte sich sogar neben mich und versetzte meinem Beutel einen Tritt. Ich war total von der Rolle und flüchtete aus dem Zelt. Schon nach wenigen Metern stellte ich fest, dass ich auf der Flucht vergessen hatte meine Laufhose zu wechseln. Scheiße, jetzt hatte ich keine Salztabletten und keine Gels. Dafür war ich den Typ los und hatte eine schicke Pampashose an.
![](upload/Berichte/2007-Roth/Roth-2007-04.jpg)
Die LTB’ler hatten nichts von meiner Panne mitbekommen und ließen die Fahne zappeln.
Auf den ersten Kilometern kam mir Chris McCormack entgegen, kurz abgeklatscht, die Hand wasche ich mir nicht mehr, und wieder mit meiner Wade beschäftigt. Bis Kilometer 32 ging alles gut, aber dann kamen die Krämpfe. Die Wade wollte nicht mehr. Von Erzählungen her wusste ich, dass 5/6 des Wettkampfes Spaß machen und 1/6 zur Qual werden kann. O.k. da waren sie nun die 1/6. Ich versuchte mich zu motivieren und ging meine gesteckten Ziele durch: Du willst finishen. Das schaffst Du. Notfalls auf allen Vieren. Bei der Vorstellung musste ich lachen, denn ich hatte noch keinen durch das Ziel krabbeln sehen. Das 2. Ziel war unter 12 Stunden zu bleiben. Auch dieses Ziel war realistisch, solange ich walken konnte. Das 3. Ziel war auf dem Finisherfoto zu lächeln. Das war schon etwas schwieriger.
An der nächsten Verpflegung fand ich einen Helfer, der mir die Waden massierte und nach einer halben Stunde konnte ich wieder laufen. 4,5 Kilometer lagen noch vor mir. Gudrun tauchte aus dem Nichts auf und feuerte mich an: „Zieh noch mal an!“. Nee, bin froh, dass ich nicht krabbeln muss. Dann war er da, der letzte Kilometer, der letzte Berg, die letzte Kurve vorbei an unserer Zeltwiese. Meine Gefühle schlugen Purzelbaum. Steht da Jemand??? Genieß es!!! Das ist jetzt kein Traum, sondern die Realität. Saug sie auf. Ja, sie standen dort. Meine Familie, Freunde, die LTB’ler, Arnold, der irgendwie an allem Schuld ist (Danke!!!!) und Leute, die ich nicht kannte, die sich aber mit mir freuten. Das war der Moment den ich 2 Jahre durchgeträumt hatte. Ich war sooo glücklich, aber freute mich auch auf den Moment keinen Fuß mehr vor den andern setzen zu müssen.
Das Einlauf ins Stadion was fantastisch, ich auf der Großleinwand (lächelnd!!!), der Kommentator aus dem Häuschen, das ist er bei jedem Finisher und dann kam der Moment, wo ich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen musste. Die Zeit stoppte bei 11:27 Stunden – unvorstellbar. Ich bin eine Ironwoman! Alle drei Ziele erreicht! Großartig!
![](upload/Berichte/2007-Roth/Roth-2007-05.jpg)
Ein Traum...
Im Ziel bekam ich meine Medallie und der Helfer schleppte mich ins Massagezelt. Die Wadenmuskel zuckten wieder und der Masseur gab sein Bestes. Von den Liegen rechts und links gab es Gratulationen und man schmiss sich die Zeiten um die Ohren. An der LTB-Wiese angekommen wollten die Umarmungen gar kein Ende nehmen. Mir war es recht. Manuela hatte inzwischen auch in einer tollen Zeit von 12:08 Stunden gefinisht und nach 13:28 Stunden wurde Hansmartin mit La-Ola-Wellen begrüßt. Auch die LTB-Staffeln waren alle erfolgreich!
Das Feuerwerk um 22:30 Uhr war nur für mich und in Ulis Arm rollten die Tränchen. Ein Traumtag ging zu Ende. Mein Traum ist Wirklichkeit geworden.
Vielen Dank an alle, die mich unterstützt haben und die an mich und meinen Traum geglaubt haben. Ich werde es wieder tun......
War die LTB-Fahne eigentlich schon mal auf Hawaii?
Anke Klimm